Rezensionen


Lisa Seelmann - Ein großes Talent

Eine Supersportlerin, 16 Jahre alt, schreibt eine Geschichte. Da wird man neugierig, erwartet einen autobiografischen Text über Training, Siege und Niederlagen, vielleicht auch ein bißchen Liebe. Doch weder von Lisa Seelmanns Tiroler Elternhaus noch von Wettkämpfen ist hier die Rede, wohl aber von der Sehnsucht nach Liebe. Man nimmt das Buch in die Hand und liest und kann nicht aufhören. So dicht und spannend erzählt die junge Autorin, die anscheinend in der Literatur zu Hause ist. Das verrät jedenfalls ihre Technik, der Aufbau des kleinen Romans, in dem sich Handlungsebenen, das Heute und Rückblenden in die Vergangenheit, überlagern. Was zudem verblüfft, ist das psychologische Wissen der Erzählerin um die Bewältigung eines Traumas nach dem Unfalltod des Vaters. Er trifft Mutter und Tochter gleichermaßen, doch die Rollen werden vertauscht. Die Mutter triftet ab, das Mädchen fühlt sich schuldig am Tod des Vaters und fühlt sich verantwortlich für die Mutter. Das happy end dank der Hilfe und Zuneigung des Kindergartenfreundes ist zwar etwas dünn, doch die Schilderung der jungen Eventszene, in der auch nach der Konfirmation eine Party steigen muß, trifft den Nerv einer satten Gesellschaft, die sich durch die Zeit zu mogeln sucht. Auf die angekündigte Fortsetzung des Textes wartet man gespannt.


Prof. Krista Hauser, Wien



Jugendbuch-Tipp: Lisa Seelmann, Durch die Zeit...

"Sie hatte Tränen in den Augen und strich mir behutsam über den Kopf, als sie merkte, dass ich wach war. Ich spürte, dass mein Kopf in eine Bandage eingewickelt war. Und die Erinnerungen an den Tag kamen wieder zurück. Sie würde mir gleich sagen, dass mein Vater tot war und meine Mutter einen Nervenzusammenbruch hatte.' (112)


Josefine Bergini, von allen nur Jace genannt, leidet unter schrecklichen Albträumen, seit sie mit ihrem Vater bei einem schrecklichen Autounfall verunglückt ist. Während sie selbst eine Woche im Koma gelegen war, hat ihr Vater den Unfall nicht überlebt. Immer wieder durchlebt sie seither den Unfall im Traum.

Aber auch das Leben ihrer Mutter Victoria ist seit dieser Zeit völlig aus den Fugen geraten. Hatte sie früher als Schriftstellerin gearbeitet, hat sie nach dem Tod ihres Mannes jeden Halt verloren. Sie geht keiner Arbeit mehr nach, wechselt ihre Freunde in kürzesten Abständen und entflieht mit Hilfe von Drogen der Realität. Dabei vergisst sie völlig auf ihre erst sechzehnjährige Tochter, die immer mehr in die Rolle derjenigen schlüpft, die sich um ihre Mutter kümmern muss, die mit ihrem Leben einfach nicht mehr zurecht kommt.

Als Jaces Mutter von ihrem gewalttätigen Freund Frank schwanger wird, bricht für die Sechzehnjährige eine Welt zusammen. Während Jace ihrer Umwelt vorgaukelt, als hätte sich nach dem Tod ihres Vaters nichts verändert, weiß ihre beste Freundin Melani als einzige über die veränderten Verhältnisse bei Jace Bescheid.

Alles beginnt sich zu ändern, als Jace widerwillige die Geburtstagsparty ihrer zweiten großen Freundin Stella besucht und dort die Begegnung mit Brian macht, den sie aus früherer Zeit zu kennen glaubt und von dem sie sich auf magische Weise angezogen fühlt. Geprägt durch die Erfahrungen mit den Freunden ihrer Mutter weist Jace Brian zunächst zurück. Erst als dieser versehentlich von Stellas Freund niedergeschlagen wird, kommen die beiden ins Gespräch und Jace verliebt sich kopfüber in den achtzehnjährigen Brian.

Jace ist überglücklich als Brian sich bemüht, auch nach der Party wieder mit ihr in Kontakt zu treten. Er überrascht sie mit seiner zurückhaltenden und einfühlsamen Art und fühlt sich nach langer Zeit erstmals wieder richtig glücklich und geborgen. Auch zu Hause scheint sich nun alles zum Guten zu wenden. Ihre Mutter beginnt wieder mehr Interesse für Jace zu zeigen und versucht eine Arbeit zu finden, um wieder auf ihren eigenen Beinen zu stehen.

Jace und Brian verbringen einen entspannten Nachmittag miteinander, dabei vergisst sie, dass sie ihrer Mutter versprochen hatte bei der Jobsuche zu helfen. Als sie schließlich nach Hause kommt, findet sie Victoria völlig aufgelöst vor. Frank hat sie verlassen und trotz ihrer Schwangerschaft hat sie wieder zu Drogen gegriffen. Jace gibt sich selbst die Schuld für den Zusammenbruch ihrer Mutter und beschließt ihre Beziehung zu Brian für das Wohl ihre Mutter zu opfern. Aber Brian ist hartnäckiger als Jace geahnt hat und als auch noch der gewalttätige Frank in die Wohnung ihrer Mutter zurück kommt, überschlagen sich die Ereignisse.

Lisa Seelmanns Geschichte ist keine leichte Kost, sondern die tragische Geschichte eines Mädchens, das vom Schicksal stärker geschlagen wird, als es verkraftbar ist. Es ist die Geschichte vom Umgang mit dem Tod einer nahestehenden Person, der alle Lebenswege völlig aus den Fugen wirft und auch davon was passiert, wenn Erwachsene psychisch zusammenbrechen und Kinder allein gelassen werden und plötzlich erwachsen sein sollen. Es ist aber auch die Geschichte von wahrer Freundschaft und wahrem Zusammenhalt und last but not least die überaus romantische Geschichte einer jugendlichen Liebe.

Dass all das zusammen nie aufgesetzt wirkt sondern von der ersten bis zur letzten Seite die Leserinnen und Lesern in ihrem Bann hält, verdankt der Roman der großen Erzählkunst und Sprachbeherrschung der jungen Autorin, die mit ihrem Debütroman einen überaus gelungen Beweis ihres Talentes geliefert hat. "Durch die Zeit ... Wo ist mein Leben?' kann nicht nur allen jugendlichen Leserinnen und Lesern wärmstens empfohlen werden, sondern wird Erwachsene gleichermaßen begeistern. Auf die geplante Fortsetzung darf man gespannt sein.

Lisa Seelmann, Durch die Zeit... Wo ist mein Leben? Ab 14 Jahren
Books on demand 2011, 200 Seiten, € 12,80, ISBN 978-3-8423-8511-5

Lisa Seelmann, geboren 1994 in Hall/Tirol, lebt in Innsbruck. An der Montessorischule begann sie Kurzgeschichten und Erzählungen zu schreiben. 2010 entstand als Abschlussarbeit dieses Buch. Pferde sind ihre Leidenschaft und so besucht sie derzeit eine Fachschule für Pferdewirtschaft.

Andreas Markt-Huter, 26-01-2012


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Verfasst von Millie

Dieses Erstlingswerk der sehr jungen und vielseitig talentierten Lisa Seelmann, deren große Liebe neben dem Schreiben auch den Pferden und dem Reitsport gilt, hat mich sehr überrascht! Die Geschichte der 16jährigen Jace, die ihren Vater durch einen Verkehrsunfall verliert und deren Leben dadurch aus den Fugen zu geraten droht, lässt den Leser in sehr nachdenklicher Stimmung zurück. Da Jace durch ihre Mutter keinerlei Hilfe bekommt - im Gegenteil: sie muss für ihre Mutter da sein - droht sie unter der Belastung fast zusammenzubrechen. Nur mit Hilfe ihrer beiden besten Freundinnen und Brian, dem Jungen, der wie aus dem Nichts auftaucht, findet sie wieder zu Lebensmut und Lebensfreude. Sprachlich hat mich das Buch überzeugt: dank der guten Ausdrucksweise liest es sich leicht und flüssig. Die häufige Arbeit mit kursiv gedruckten Rückblicken in Form von Träumen, Tagträumen und Erinnerungen gestaltete das Lesen abwechslungsreicher: auf diese Weise erfuhr der Leser ausschnittsweise, was genau vorher passierte und konnte Jace besser verstehen.
Was mir nicht immer so ganz gefiel war der inhaltliche Aufbau der Geschichte: An manchen Stellen wirkte es etwas konstruiert, oft auch sehr vorhersehbar. Die Charaktere erschienen mir vor allem zu Beginn zu eindimensional. Im Verlauf der Geschichte wird dies etwas besser: z. B. Brians Vater, der zuerst sehr unsympathisch erscheint, entpuppt sich auf den zweiten Blick als ganz anders als erwartet. Trotzdem hätten die Hauptfiguren etwas vielschichtiger sein können: Eine Person, die immer hilfsbereit und verständnisvoll agiert wirkt realistischer, wenn sie auch mal eine negative Eigenschaft an den Tag legt. Ein paar Ecken und Kanten habe ich vor allem bei Brian vermisst.
Dieses Manko ist wohl hauptsächlich dem jugendlichen Alter der Autorin geschuldet: Ich bin sicher, dass mit zunehmender Lebenserfahrung die Qualität ihrer schriftstellerischen Leistung nur zunehmen kann! Ich bin auf jeden Fall gespannt auf weitere Geschichten von Lisa Seelmann.

Meine Leseempfehlung:
Dieses Buch liest sich wie ein Tatsachenbericht aus der Sicht der 16jährigen Protagonistin. Mädchen ab ca. 14 Jahren, die gerne realistische Geschichten lesen und auch vor ernsthaften Themen nicht zurückschrecken, werden an dem Buch bestimmt ihre Freude haben. Das Buch ist ja nicht nur tragisch sondern gleichermaßen auch eine wunderbare Freundschafts- und eine einfühlsame Liebesgeschichte.



Rezensionen von Amazon:

hervorragend (22. Oktober 2012)
Von MrToby
Ich war auf dieses Buch sehr neugierig und wurde sehr positiv überrascht!!! Mich hat der Einblick in die Gedankenwelt einer Jugendlichen sehr gut gefallen und war zeitweise gar nicht sicher, ob die Autorin eine Jugendliche oder eine bereits erwachsene Frau ist?! Sie hat den Themenbereich außerordentlich toll ausgewählt und getroffen. Sie hat es sehr gut verstanden, die verschiedenen Themen und die dazugehörigen Gefühle zu verknüpfen und spannend zu erzählen. Die Spannung hat sich von der ersten Zeile bis zum letzten Wort fantastisch durchgezogen und ich warte schon sooooooooo lange auf den 2. Teil, den es hoffentlich bald geben wird.

Gedankenwelt einer Fünfzehnjährigen? (4. Juli 2011)
Von Werner Meissl
Jugendromane sind meist von Erwachsenen verfaßt und spiegeln die Gedankenwelt der Vergangenheit vermischt mit den Erfahrungen bis in die Gegenwart wider. Wie anders ist da die Gegenwart aus der Gedankenwelt einer Fünfzehnjährigen? Phantasie, Wünsche und Sehnsüchte sind gelebte Wirklichkeit und so wirkt auch die Geschichte der Autorin: lebendig, traurig, verspielt und manchmal kindlich ohne ins Banale abzudriften. Die Geschichte von Jace wird zu einem Abschied von der unbeschwerten Welt des Kindes in Form von Rückblenden und wächst hinein in die Verantwortung der Adoleszenz. Die Mischung von jugendlicher Verspieltheit und Ausgelassenheit mit der belastenden Verantwortung für ihre Mutter, gibt der Handlung die erforderliche Spannung. Das traumatische Erlebnis des tödlichen Unfalls ihres Vaters ist sowohl für Jace als auch für ihre Mutter der zentrale Wendepunkt im Leben der Hauptprotagonisten. In der aufkeimenden Liebe zu einem jungen Mann wird angedeutet, daß ein Wandel und Neubeginn möglich ist.
Damit wird die Erzählung nicht nur zu einer interessanten Geschichte für Gleichaltrige sondern gibt auch dem erwachsenen Leser einen authentischen Einblick in die Gedankenwelt einer Jugendlichen von heute. Und ist sie so verschieden von den Hoffnungen, Befürchtungen und Träumen früherer Generationen?

Welch ein Start (29. Juni 2011)
Von georg
Viele Jugendliche träumen oder reden davon ein Buch zu schreiben. Hier liegt eines vor, von einer 15 Jährigen geschrieben: Spannend, ehrlich und lebensnah. Als Vielleser wagte ich mich an dieses unbekannte Buch und wurde äußerst positiv überrascht. Gibt ja viel zu selten Jugendbücher von Jugendlichen geschrieben. Kaufen und lesen!